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Bleib auf dem Laufenden – siRNA: die Grundlagen

Erklären wir zuerst noch einmal RNA, obwohl der Mehrzahl der Menschen der Begriff jetzt von der Covid-19-Impfung geläufig ist. Aber Wiederholung macht bekanntermaßen den Meister.

RNA (Ribonukleinsäure) ist ein biologisches Makromolekül, das in den Zellen vorkommt und eine wichtige Rolle in der Übertragung genetischer Informationen von DNA zu Protein spielt. RNA besteht aus Nukleotiden, die durch Phosphodiester-Bindungen miteinander verknüpft sind, und kann als Vorläufermolekül für die Synthese von Proteinen dienen. Es gibt verschiedene Typen von RNA, einschließlich Messenger-RNA (mRNA), Transfer-RNA (tRNA) und Ribosomal-RNA (rRNA), die unterschiedliche Funktionen in der Zelle haben. Und dann gibt es auch noch die siRNA

Das Kürzel siRNA steht für “kleine interferierende RNA“. Diese Ribonukleinsäure-Moleküle sind ein kurzes Stück RNA, das speziell gegen ein bestimmtes Gen gerichtet ist und dessen Aktivität unterdrückt. Kurz gesagt, man kann mit siRNA in der Zelle spezifisch mRNA-Sequenzen abschalten.

Wichtig zu wissen: die normale Zelle selbst verfügt über natürliche Teile von siRNA in der natürlichen mRNA. Diese Teile werden als Mikro-RNA bezeichnet und sind ein Teil des Mikro-RNA-Regulierungsssystems in einer Zelle. 

Mikro-RNAs werden aus längeren Primär-RNA-Molekülen abgeschnitten und regulieren dann die Expression von Ziel-mRNA-Molekülen. Mikro-RNAs werden in den Kernen von Zellen gebildet und wirken dann im Zytoplasma. Das Zytoplasma ist ein Bestandteil einer Zelle und hat folgende Funktionen:

  • Transport von Stoffen und Organellen
  • Aufrechterhaltung der Form und Struktur der Zelle
  • Teilhabe an Stoffwechselprozessen
  • Teilhabe an der Zellkommunikation
  • Speicherung von Nährstoffen.
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Das Mikro-RNA-Regulierungssystem ist ein komplexes Netzwerk von molekularen Prozessen in einer Zelle, das dazu beiträgt, Gene zu regulieren und die Expression von Proteinen zu steuern. Protein-Expression bezieht sich auf den Prozess der Synthese und Akkumulation von Proteinen in einer Zelle oder in vitro (z.B. in einem Reaktionsgefäß). Dies wird durch Übersetzung eines Gens in eine Polypeptidkette (mRNA) durch eine Ribosomenmaschine erreicht. Dieser Prozess ist entscheidend für die Funktion und Struktur von Zellen und Organismen.

Ein Primär-RNA-Molekül, das Mikro-RNA-Vorläufermolekül, wird in kleinere Mikro-RNA-Moleküle abgeschnitten. Diese Mikro-RNAs wirken dann als Regulatoren für bestimmte Ziel-mRNA-Moleküle. 
Die Mikro- RNA ist wie ein Stoppschild denn sie bindet dabei an ein bestimmtes mRNA-Molekül und verhindert dessen Übersetzung in ein Protein.

Zusammenfassend kann man sich das so vorstellen: das Mikro-RNA-Regulierungssystem ist eine Art molekulares Steuerungszentrum, das wichtige Entscheidungen trifft, welche Gene aktiviert werden und welche nicht, um auf diese Weise die richtige Funktion der Zelle zu gewährleisten. 
Mikro-RNAs sind somit in die „Regulator-Moleküle” einzuordnen.
Das System funktioniert dabei folgendermaßen: Das Mikro-RNA-Molekül wird aus einer längeren Primär-RNA-Sequenz abgeschnitten und dann an spezifische Ziel-mRNA-Moleküle angebunden. Dies führt zur Hemmung der Übersetzung der mRNA in ein funktionsfähiges Protein, so dass letztendlich die Expression des betreffenden Gens reguliert wird.

Schwer verständlich?

Blicken Sie jetzt durch, was Expression heißt? Nicht wirklich, wie es so schön heißt.
Dann dazu ein kleines, anschauliches BEISPIEL. Stellen Sie sich einfach vor, dass nur ein spezieller Schalter ein bestimmtes Licht in einem Raum ein- oder ausmachen kann. Wenn der Schalter eingeschaltet ist, ist dieses spezielle Licht an und leuchtet. Wenn der Schalter ausgeschaltet ist, ist das Licht aus und leuchtet nicht. Genau so funktioniert die Expression von Genen – sie schalten bestimmte Gene ein oder aus, um Proteine zu produzieren oder nicht zu produzieren.

Ein Gen ist eine Einheit der Erbinformation, die für die Ausprägung bestimmter Merkmale eines Organismus verantwortlich ist. Es besteht aus DNA und beinhaltet die Anweisungen für die Herstellung eines bestimmten Proteins. Um diese Informationen weiterzugeben (zu nutzen), wird zunächst eine Kopie der DNA-Informationen in Form von mRNA produziert. Diese mRNA transportiert die Informationen dann zu den Zellen, die das Protein herstellen. die mRNA dient somit als Boten für die Herstellung eines Proteins. Ein Protein wiederum ist eine biologische Makromolekül, bestehend aus einer Folge von Aminosäuren, die durch Peptidbindungen miteinander verbunden sind. Proteine sind an eine Vielzahl von Funktionen in Organismen beteiligt, einschließlich der Struktur, Regulierung, Bewegung und Funktion von Zellen und Geweben. Proteine werden anhand ihrer spezifischen Aminosäuresequenz definiert und können einfache Strukturen wie Enzyme oder komplexe Strukturen wie Antikörper haben.

Die siRNA ist damit ein wichtiger Teil der Zellkontrolle und Zellregulierung und hat Auswirkungen auf Prozesse wie Zelldifferenzierung, Wachstum und Entwicklung. Aber damit reicht es auch mit der Erklärung von Grundlagenwissen.

Praktische Konsequenzen aus diesen theoretischen Forschungserkenntnissen:

siRNA sorgt dafür, wenn sie richtig eingesetzt wird, dass bestimmte Gene im Körper nicht mehr aktiv sind. Die siRNA als Therapie wird verwendet, um die Expression von spezifischen Genen zu unterdrücken, die für die Entstehung von Krankheiten verantwortlich sind.

Expression von Genen bedeutet folglich, wie aktiv oder inaktiv bestimmte Gene in unserer DNA sind. Jedes Gen kontrolliert die Produktion von bestimmten Proteinen, die für bestimmte Funktionen in unserem Körper verantwortlich sind. Wenn ein Gen aktiviert ist, wird es “ausdrucksstark” und produziert eine bestimmte Menge an Protein. Wenn ein Gen inaktiv ist, wird es “nicht ausdrucksstark” und produziert kein Protein.

Damit ist die siRNA-Therapie für eine Behandlung von einer ganzen Reihe von Krankheitsfeldern grundsätzlich denkbar, bei denen eine Fehlsteuerung von Genen nachweisbar ist. Das sind unzählige Erkrankungen. Forschungen mit siRNA-Therapien finden daher statt:

  • In der Krebstherapie zur Bekämpfung von Krebszellen und zur Verhinderung ihrer Vermehrung eingesetzt.
  • In der Augenheilkunde zur Behandlung von Augenerkrankungen wie Alterssichtigkeit und Makuladegeneration werden untersucht.
  • Bei einer Vielzahl von Autoimmunerkrankungen wird auch siRNA-Therapie erforscht. Dazu zählen: 
  • Rheumatoide Arthritis: Es wird derzeit an siRNA-basierten Therapien geforscht, die darauf abzielen, Entzündungen in Gelenken zu reduzieren.
  • Multiple Sklerose: Es gibt Studien, die sich mit der Verwendung von siRNA-basierten Therapien bei der Behandlung von Multiple Sklerose befassen.
  • Typ-1-Diabetes: Hier wird an siRNA-basierten Therapien geforscht, die die Zerstörung von insulinproduzierenden Zellen im Körper verhindern können.
  • Lupus: Es werden siRNA-basierte Therapien untersucht, die das Wachstum von Autoantikörpern hemmen und damit Entzündungen reduzieren können.
  • Die Autoimmun-Thyreoiditis: Eine Entzündung der Schilddrüse, die dazu führt, dass das Organ langsam abnimmt. Oder, die euthyreote Autoimmun-Thyreoiditis: Eine seltene Autoimmun-Erkrankung, bei der die Funktion der Schilddrüse normal ist, aber es zu Entzündungen kommt.
  • Aber auch Morbus Basedow (Graves-Krankheit): eine autoimmune Störung, bei der die Schilddrüse überaktiv ist.  
  • Bei autoimmunen Schilddrüsenerkrankungen wie zum Beispiel die Hashimoto-Thyreoiditis, bei der das körpereigene Immunsystem die Schilddrüse angreift. Nehmen wir das als Beispiel, die siRNA-Therapie bei Hashimoto-Thyreoiditis. Diese Autoimmunkrankheit führt zu einer chronischen Entzündung der Schilddrüse und kann zu einer Unterfunktion der Schilddrüse (Hypothyreose) führen. Mit siRNA-Therapie kann das spezifische Gen unterdrückt werden, das für die Entzündung und den Angriff des körpereigenen Immunsystems auf die Schilddrüse verantwortlich ist. Obwohl die siRNA-Therapie noch ein neues Konzept ist und weitere Studien erforderlich sind, um ihre Wirksamkeit und Sicherheit zu bestätigen, gibt es vielversprechende Forschungsergebnisse, die auf ihre mögliche Anwendung bei Hashimoto-Thyreoiditis hindeuten.

Dies sind aber nur einige Beispiele für die Verwendung von siRNA-Therapien. Es ist jedoch wichtig zu wissen, dass eine siRNA-Therapie ein sehr komplexes und vor allem sich rasant entwickelnden Gebiet ist. Daher gilt es zum aktuellen Zeitpunkt festzuhalten, dass alles noch in der Grundlagenforschung ist und weitere Forschungen erforderlich sind, bevor es in eine Phase von klinischen Anwendung gehen kann.

Die Therapie wird eine individuelle sein!

Analog zur Makrophagentherapie, der bakterienfressenden Virentherapie bei chronischen Entzündungen, die in Tiflis seit mehr als 100 Jahren dort praktiziert wird und gerade wieder die Welt erobert, ist die siRNA-Therapie in der Regel individuell. Das krankhafte Gen muss bestimmt werden, um eine spezifische. persönlich individuelle siRNA herzustellen. Dies ist notwendig, da siRNA speziell auf ein bestimmtes Gen gerichtet ist und dessen Aktivität unterdrücken soll. Um eine effektive siRNA-Therapie zu entwickeln, muss das spezifische Gen identifiziert werden, das für die Krankheit verantwortlich ist. Hierfür werden genetische Tests durchgeführt, um die spezifischen Mutationen zu erkennen, die das Risiko für die Erkrankung erhöhen. Basierend auf den Ergebnissen dieser Tests kann eine spezifische siRNA hergestellt werden, die auf das krankhafte Gen gerichtet ist.
Auch in Europa arbeiten eine Reihe von pharmazeutischen Forschungsunternehmen an siRNA-Therapien, darunter:

  • Alnylam Pharmaceuticals
  • Sanofi
  • AstraZeneca
  • Roche
  • Novartis

Aussicht:

Je individueller eine Therapie, je natürlicher eine Therapie, um so besser für den einzelnen Menschen. Wir dürfen gespannt sein und sollten uns auf dem Laufenden halten. Nie vergessen: Erstes Gebot: Nicht schaden (Primum non Nocere) und zweitens immer daran denken, dass der Nürnberger Kodex bedeutet, dass der Menschen selbst entscheiden muss, ob er sich diesen neuen Therapien unterziehen will.